Die Insel La Gomera hat eine eigene Persönlichkeit, einen Charakter, der von jahrhundertealten Bräuchen und Traditionen geprägt ist, die ihr Wesen ebenso geformt haben wie die typischen Terrassenfelder ihr Aussehen. Wer mehr über La Gomera und das historische Kulturerbe der Insel erfahren möchte, hat in den vielen kleinen Museen die Gelegenheit, ihre spannende Geschichte – von den Ursprüngen der ersten Siedler bis hin zur jüngsten Vergangenheit – zu erkunden.
Die ersten Bewohner
Zwar ist ihre Herkunft noch immer ungewiss, aber nach der meist akzeptierten Theorie waren die ersten Siedler von La Gomera Berber aus dem Norden Marokkos. Damals war die Insel in vier Kantone aufgeteilt, Mulagua, Hipalán, Orone und Agana, die den heutigen Gebieten von Hermigua, San Sebastián, Valle Gran Rey und Vallehermoso entsprechen.
Die ersten Bewohner widmeten sich hauptsächlich der Viehwirtschaft. Viele ihrer Traditionen werden auch heute noch gepflegt, wie die Pfeifsprache „Silbo“, der Schäfersprung „Salto del pastor“ und die Herstellung von Palmhonig und Gofio.
Die Einwohner Gomeras hatten einen hohen Sinn für Gerechtigkeit und waren bei den Kolonisatoren für ihren nonkonformistischen und rebellischen Charakter bekannt, sodass es oft heißt, La Gomera sei nie wirklich erobert worden.
Neben den Überresten, die im Archäologischen Museum von San Sebastián de La Gomera aufbewahrt werden, sind auf der Insel zahlreiche archäologische Fundstätten zu sehen, wie z. B. das religiöse Zentrum, das in Alto de Garajonay entdeckt wurde, das Observatorium von Toscas del Guirre, in dem durch die Markierung der Sonnenwenden die Zeit gemessen wurde und das die größte Tafel mit Libyco-Berberschrift auf den Inseln beherbergt, oder die Fundstätte von La Fortaleza in Chipude, Vallehermoso.
Auf Kolumbus Spuren
Die Bedeutung von La Gomera bei der Entdeckung Amerikas im Jahr 1492 ist allgemein anerkannt. Die Insel war der letzte Versorgungspunkt, bevor die Karavellen ins Unbekannte aufbrachen, und später war sie dank ihrer privilegierten geografischen Lage ein regelmäßiger Halt auf der Route in die Neue Welt.
Das Haus in San Sebastián, in dem Kolumbus damals unterkam – die Casa de Colón –, kann heute besichtigt werden und beherbergt ein Museum mit einer Ausstellung von historischem Material aus dieser Zeit sowie verschiedene Wanderausstellungen.
Auf La Gomera fand der Admiral alles, was er zur Vorbereitung seiner Reise brauchte: frisches Wasser, Nahrung, ein privilegiertes Klima und günstige Winde. In der Nähe des Torre del Conde steht die Casa de la Aguada. Im Innenhof dieses Gebäudes befindet sich ein Brunnen aus dem 15. Jahrhundert, aus dem die Seefahrer angeblich das Wasser entnommen haben, um sich für die Überfahrt zu versorgen. Nur 200 Meter davon entfernt steht die Kirche Nuestra Señora de Asunción, in der Kolumbus für den Erfolg seines Unternehmens betete. Die Kapelle San Sebastián de La Gomera wurde 1535 erbaut, viele Jahre nach Kolumbus Durchreise. Sie weist Einflüsse der portugiesischen Architektur jener Zeit auf und ist ebenfalls einen Besuch wert.
Alles Orte, die Teil der Weltgeschichte sind und die La Gomera als Kolumbus-Insel bekannt gemacht haben.
Kunsthandwerk und Folklore
Das Kunsthandwerk auf La Gomera ist ein Spiegelbild der Identität der Insel. Traditionelle Künste, Gebräuche und Sitten mit einem tiefen Respekt vor der Natur und ihren Materialien: Holz, Korbwaren aus Weide oder Schilfrohr und vor allem Töpferwaren, die man im Interpretationszentrum Las Loceras besichtigen kann und die manuell ohne Töpferscheibe hergestellt werden, so wie es die alten Ureinwohner taten.
Das alte Handwerk konzentriert sich vor allem im Norden der Insel, wobei Vallehermoso die meisten Kunsthandwerker aufzuweisen hat. Es werden Messen und Veranstaltungen abgehalten, wie z. B. die jährliche Kunsthandwerksmesse „Feria Insular de Artesanía“.
Meist werden solche Veranstaltungen von musikalischen Darbietungen gomeranischer Volksgruppen begleitet, denn die Folklore von La Gomera ist ohne ihre Musik und traditionellen Tänze nicht zu verstehen. Der „Baile de Tambor“, der Trommeltanz, ein uralter Gesang und Tanz, bei dem Männer und Frauen zum Rhythmus von Trommel und Chácaras – den kanarischen Kastagnetten – Legenden und historische Ereignisse singen, ist einzigartig in der hispanischen Welt. Bei jeder Wallfahrt und bei Volksfesten wie der Bajada de la Virgen de Guadalupe in San Sebastián, den Festen zu Ehren der Virgen de Candelaria in Chipude, Santa Rosa de Lima in Las Rosas oder Nuestra Señora de Lourdes in El Cedro zeigt sich die Freude der Gomeros, diese alten Traditionen fortzuführen.
Der Silbo Gomero
Aber wenn es eine gomerische kulturelle Manifestation par excellence gibt, dann ist es der Silbo. Diese Pfeifsprache, die es nur auf La Gomera gibt, ist ein authentisches Zeichen der lokalen Identität. Von der UNESCO 2009 in Anerkennung ihres außerordentlichen kulturellen Wertes zum immateriellen Kulturerbe der Menschheit erklärt, wurde diese gepfiffene Sprache von den ersten Bewohnern der Insel zur Kommunikation zwischen Schluchten und Tälern geschaffen. Sie wurde von Generation zu Generation weitergegeben und ist seit 1999 ein Pflichtfach in den Schulen von La Gomera.